Amitriptylin
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 31. Juli 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Amitriptylin zählt zu den Antidepressiva der ersten Stunde, das seit Anfang der 1960er Jahre auf dem Markt ist. Es wird vorwiegend bei Depressionen, die mit Angststörungen einhergehen, verabreicht. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Schmerztherapie.
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Was ist Amitriptylin?
Das Antidepressivum Amitriptylin wurde 1960 erstmals hergestellt und zwei Jahre später auf dem Markt eingeführt. Bis zur Einführung der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer war Amitriptylin das weltweit meist verordnete Antidepressivum.
Und auch heute zählt dieser Wirkstoff nach wie vor zu den Psychopharmaka, die in Deutschland am häufigsten verordnet werden. Es handelt sich bei Amitriptylin um ein trizyklisches Antidepressivum, das mit drei anellierten Ringen eine charakteristische chemische Struktur auf weisen. Verordnet wird das Präparat, das als Stimmungsaufheller bekannt ist, in erster Linie bei psychischen Beschwerden, bei welchen Ängste oder eine schlechte Stimmung im Vordergrund stehen.
Amitriptylin besitzt darüber hinaus eine dämpfende Wirkung auf die Psychomotorik der Patienten. Verabreicht wird das Präparat deshalb auch bei Schlafstörungen, die häufig zu den Symptomen einer Depression gehören.
Pharmakologische Wirkung
Wie alle trizyklischen Antidepressiva wirkt auch Amitriptylin auf den Stoffwechsel des Gehirns ein, indem es in den Nervenzellen die Wiederaufnahme der Botenstoffe Noradrenalin, Dopamin und Serotonin hemmt.
Dies soll den Mangel an Botenstoffen, der für depressive Patienten charakteristisch ist, ausgleichen. Denn die Botenstoffe erfüllen insofern eine wichtige Rolle im Gehirnstoffwechsel, als sie sämtliche Nervenreaktionen steuern. Üblicherweise sitzen die Botenstoffe in kleinen Bläschen an den Enden der Neuronen, wo sie ausgeschüttet werden, sobald der Nerv erregt wird. Dadurch gelangen die Botenstoffe an die Rezeptoren anderer Nervenzellen und geben den Reiz weiter. Anschließend werden die Botenstoffe durch Enzyme abgebaut oder über ein spezielles Transportsystem an den ursprünglichen Speicher zurückgeleitet.
Amitriptylin besetzt die Rezeptoren der Botenstoffe, wodurch der Gehirnstoffwechsel verändert wird. Darüber hinaus verhindert der Wirkstoff den Rücktransport der Botenstoffe. Dadurch können diese länger am Wirkort bleiben, wodurch sich ihre Wirksamkeit erhöht. Auf diese Weise können durch Amitriptylin Spannungs- und Angstzustände gelöst und depressive Stimmungen aufgehoben werden.
Auch der Zustand chronischer Schmerzpatienten lässt sich verbessern. Denn auch hier liegt die Ursache häufig in einer gestörten Verarbeitung von Schmerzsignalen im Gehirn, wobei der Botenstoff Serotonin eine Schlüsselrolle spielt.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Verschiedene Präparate mit dem Wirkstoff Amitriptylin können wegen ihrer stimmungsaufhellenden Wirkung grundsätzlich gegen alle Formen von Depressionen verabreicht werden. Bevorzugt werden sie bei Formen von Depressionen eingesetzt, die mit Unruhegefühlen und Angst einhergehen.
Weil gerade bei psychischen Erkrankungen oft nicht eindeutig zu klären ist, welches Symptom die Ursache und welches die Folge ist, wird Amitriptylin auch bei Angststörungen verabreicht. Denn diese können sich negativ auf die Stimmung auswirken, wodurch sich Symptome zeigen, die auch mit einer Depression verbunden sein können. Weil das Präparat generell eine beruhigende Wirkung hat, wird Amitriptylin außerdem bei krankhaften und chronischen Schlafstörungen verabreicht. Wegen der beruhigenden Wirkung, die das Präparat bei allen Indikationen zeigt, sollte es grundsätzlich abends eingenommen werden.
Ein weiteres Anwendungsgebiet für Amitriptylin sind chronische Schmerzen. Denn diese haben in vielen Fällen ebenfalls eine psychische Komponente. Dabei wird mit dem Wirkstoff eine relativ breite Bandbreite von Schmerzen abgedeckt, von leichten bis hin zu sehr starken Schmerzen. Typische Beispiele von Anwendungen bei Schmerzpatienten sind die Behandlung von Kopfschmerzen bei Migräne-Patienten oder die Schmerzen am Bewegungsapparat, unter welchen Fibromyalgie-Patienten leiden.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Amitriptylin sind mehrere wichtige Faktoren zu berücksichtigen, um die Wirksamkeit zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren. Amitriptylin ist ein trizyklisches Antidepressivum, das zur Behandlung von Depressionen, neuropathischen Schmerzen, Migräne und anderen psychischen Störungen eingesetzt wird.
Die Dosierung muss individuell angepasst werden, beginnend mit einer niedrigen Anfangsdosis, die schrittweise erhöht wird, um die Verträglichkeit zu prüfen und das Risiko von Nebenwirkungen zu minimieren. Die übliche Anfangsdosis für Erwachsene beträgt 25 mg pro Tag, die allmählich auf eine Erhaltungsdosis von 50-100 mg pro Tag gesteigert werden kann. In einigen Fällen können höhere Dosen erforderlich sein, wobei die Maximaldosis in der Regel 150-200 mg pro Tag nicht überschreiten sollte.
Die Einnahme erfolgt vorzugsweise einmal täglich am Abend oder in geteilten Dosen, um die sedierende Wirkung und mögliche Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit zu verringern. Es ist wichtig, Amitriptylin regelmäßig zur gleichen Zeit einzunehmen, um konstante Blutspiegel zu gewährleisten.
Patienten sollten über mögliche Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Verstopfung, verschwommenes Sehen und Gewichtszunahme informiert werden. Da Amitriptylin das QT-Intervall verlängern kann, ist Vorsicht geboten bei Patienten mit Herzproblemen oder anderen Medikamenten, die das QT-Intervall beeinflussen. Ein plötzliches Absetzen sollte vermieden werden, um Entzugssymptome zu verhindern; eine langsame Dosisreduktion ist empfehlenswert.
Risiken & Nebenwirkungen
Patienten, die das Präparat verabreicht bekommen klagen sehr häufig über Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit, Schwindel, Müdigkeit, Störungen im Herz-Kreislauf-System, Kopfschmerzen, Gereiztheit, Sprachstörungen sowie Gewichtszunahme. Ein Durstgefühl, innere Unruhe, Geschmacksstörungen oder Konzentrationsmangel zählen ebenso zu den häufigen Nebenwirkungen wie ein Verlust der Libido.
Gelegentlich können Nebenwirkungen wie Bluthochdruck, Durchfall oder Veränderungen des Blutbildes auftreten. Darüber hinaus gibt es noch eine Vielzahl von weiteren möglichen Nebenwirkungen. Deshalb sollte die etwa zweiwöchige Einstellung auf das Präparat unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.
Denn bei zu starken Nebenwirkungen muss gegebenenfalls auf ein anderes Präparat ausgewichen werden. Zudem sollten die Nebenwirkungen größtenteils abklingen, sobald die Einstellungsphase abgeschlossen ist. Auch die Entwöhnung beim Absetzen des Präparats sollte langsam und stufenweise erfolgen.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Amitriptylin umfassen verschiedene medizinische Bedingungen und Situationen, in denen das Medikament nicht sicher angewendet werden kann. Eine der Hauptkontraindikationen ist eine Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Amitriptylin oder andere trizyklische Antidepressiva. Personen mit einer solchen Allergie sollten das Medikament nicht einnehmen.
Eine weitere wichtige Kontraindikation ist das Vorhandensein einer akuten Herzinsuffizienz oder eines kürzlich zurückliegenden Herzinfarkts. Amitriptylin kann das Herz belastet, indem es das QT-Intervall verlängert und Arrhythmien fördert, was bei Patienten mit Herzerkrankungen gefährlich sein kann. Auch bei Patienten mit bekannten QT-Verlängerungen oder in Kombination mit anderen QT-verlängernden Medikamenten sollte Amitriptylin vermieden werden.
Patienten mit Engwinkelglaukom sollten Amitriptylin ebenfalls nicht einnehmen, da das Medikament die Augeninnendruck erhöhen und die Symptome verschlechtern kann. Zudem ist bei Patienten mit schweren Lebererkrankungen Vorsicht geboten, da die Leber das Medikament abbaut und eine beeinträchtigte Leberfunktion das Risiko von Toxizität erhöht.
Amitriptylin sollte nicht in Kombination mit Monoaminoxidase-Hemmern (MAO-Hemmern) verwendet werden, da dies zu schweren und potenziell lebensbedrohlichen Wechselwirkungen führen kann, einschließlich einer hypertensiven Krise oder eines Serotonin-Syndroms. Eine ausreichende Pause zwischen der Einnahme dieser beiden Medikamentengruppen ist erforderlich.
Darüber hinaus ist Vorsicht geboten bei Patienten mit einer Vorgeschichte von Harnverhalt, Prostatahypertrophie, Epilepsie oder Manie, da Amitriptylin diese Zustände verschlechtern kann.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Amitriptylin kann mit einer Vielzahl anderer Medikamente interagieren, was die Wirksamkeit beeinflussen und das Risiko von Nebenwirkungen erhöhen kann. Eine bedeutende Interaktion besteht mit Monoaminoxidase-Hemmern (MAO-Hemmern). Die gleichzeitige Einnahme kann zu schweren Reaktionen wie hypertensiven Krisen oder dem Serotonin-Syndrom führen. Daher ist eine Wartezeit von mindestens 14 Tagen zwischen der Einnahme von MAO-Hemmern und Amitriptylin erforderlich.
Eine weitere wichtige Interaktion besteht mit Medikamenten, die das QT-Intervall verlängern, wie bestimmte Antiarrhythmika, Antipsychotika und Antibiotika. Die Kombination kann das Risiko für schwere Herzrhythmusstörungen, einschließlich Torsade de Pointes, erhöhen.
Amitriptylin verstärkt die Wirkung von Alkohol und anderen zentral dämpfenden Substanzen wie Benzodiazepinen und Opioiden, was zu verstärkter Sedierung und Atemdepression führen kann. Auch die gleichzeitige Anwendung mit Anticholinergika (z.B. Atropin, bestimmte Antihistaminika) kann die anticholinergen Nebenwirkungen von Amitriptylin verstärken, wie Mundtrockenheit, Harnverhalt und Verstopfung.
Die Wirkung von blutdrucksenkenden Medikamenten kann durch Amitriptylin abgeschwächt werden, da es eine hypertonische Wirkung haben kann. Darüber hinaus kann die gleichzeitige Einnahme von CYP2D6-Inhibitoren (wie Fluoxetin oder Paroxetin) die Konzentration von Amitriptylin im Blut erhöhen und das Risiko toxischer Wirkungen verstärken.
Es ist wichtig, dass Patienten ihren Arzt über alle eingenommenen Medikamente informieren, um potenziell gefährliche Wechselwirkungen zu vermeiden und die Therapie sicher zu gestalten.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Amitriptylin nicht vertragen wird, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, je nach der zu behandelnden Erkrankung. Für Depressionen können selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) wie Fluoxetin, Sertralin oder Citalopram eine geeignete Alternative sein. Diese Medikamente haben ein anderes Nebenwirkungsprofil und werden oft besser vertragen.
Bei neuropathischen Schmerzen, für die Amitriptylin häufig eingesetzt wird, können andere Antidepressiva wie Duloxetin (ein Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SNRI) oder Venlafaxin hilfreich sein. Gabapentin und Pregabalin, die als Antikonvulsiva klassifiziert sind, werden ebenfalls häufig zur Behandlung neuropathischer Schmerzen eingesetzt und bieten eine alternative Wirkstoffgruppe.
Für Patienten, die an Migräne leiden, können Betablocker wie Propranolol, Kalziumkanalblocker wie Verapamil oder Antikonvulsiva wie Topiramat als Prophylaxe verwendet werden. Auch hier bieten sich Alternativen aus verschiedenen Medikamentenklassen an.
Neben pharmakologischen Optionen gibt es auch nicht-medikamentöse Ansätze. Kognitive Verhaltenstherapie (CBT) kann effektiv zur Behandlung von Depressionen und Angststörungen eingesetzt werden. Akupunktur, Physiotherapie und transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) können bei der Behandlung chronischer Schmerzen hilfreich sein.
Patienten, die Amitriptylin nicht vertragen, sollten in Absprache mit ihrem Arzt eine geeignete Alternative wählen, die sowohl wirksam als auch gut verträglich ist.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor