Sevofluran
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Juli 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Sevofluran hat eine hypnotische und muskelrelaxierende Wirkung. Das Arzneimittel wird daher in der Anästhesie vor operativen Eingriffen eingesetzt. Sevofluran wird über eine Maske inhaliert und versetzt den Patienten in einen Zustand der Vollnarkose. Die Medikation wird individuell auf den Patienten abgestimmt und von medizinischem Fachpersonal strengstens überwacht. Sevofluran kann zu Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Benommenheit führen.
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Was ist Sevofluran?
Sevofluran ist ein sogenanntes volatiles Anästhetikum. Volatile Anästhetika sind Arzneimittel, die durch Inhalation zur Einleitung bzw. Aufrechterhaltung einer Narkose eingesetzt werden.
Sevofluran gehört chemisch gesehen zur Stoffgruppe der Flurane. Flurane sind nicht brennbar und farblos. Der Geruch von Fluranen ist typischerweise stechend. Bei Sevofluran ist dies nicht der Fall. Daher eignet es sich besonders für die Einleitung einer Narkose über eine Maske.
Zu den Fluranen zählen weiterhin Desfluran, Enfluran, Isofluran und Methoxyfluran. Jene dieser Wirkstoffe die noch im Handel erhältlich sind, liegen in flüssiger Form vor. Der Handelsname von Sevofluran ist Sevorane®.
Pharmakologische Wirkung auf Körper & Organe
Sevofluran hat eine muskelrelaxierende und hypnotische Wirkung. Muskelrelaxierende Arzneimittel sind Substanzen, die eine vorübergehend anhaltende entspannende Wirkung auf die Skelettmuskulatur haben.
Sevofluran ist ein sogenanntes peripheres Muskelrelaxans. Es entfaltet seine Wirkung an der motorischen Endplatte des Muskels und verhindert somit die Erregung des Muskels durch die Nervenfasern. Die hypnotische Wirkung von Sevofluran versetzt den mit dem Arzneimittel behandelnden Menschen in einen Zustand vollständiger Empfindungslosigkeit. Sevofluran bewirkt das Abschalten des Bewusstseins- und Schmerzsystems im zentralen Nervensystem.
Der genaue Wirkmechanismus von Substanzen die einen narkotischen Zustand auslösen ist bis heute nicht gänzlich geklärt und wird kontrovers diskutiert. Wirkungen auf eine Reihe von Rezeptoren des zentralen Nervensystems und auf bestimmte Ionenkanäle werden für den Zustand der Narkose beschrieben.
Sevofluran hat nicht nur eine hypnotische und muskelrelaxierende sondern auch eine schwach analgetische Wirkung. Analgetika sind Stoffe die gemein hin als Schmerzmittel bezeichnet werden.
Medizinische Anwendung & Verwendung zur Behandlung & Vorbeugung
Sevofluran ist ein Arzneimittel, das in der Medizin eingesetzt wird, um den Patienten in eine Vollnarkose zu versetzen. Es ist in flüssiger Form im Handel erhältlich und wird über eine Dampfmaske inhaliert. Die Patienten verfallen durch die Inhalation von Sevofluran in einen tiefen Schlaf. Das Bewusstsein und das Schmerzempfinden werden ausgeschaltet und der Patient kann operiert werden.
Im Gegensatz zu anderen Fluranen hat Sevofluran keine ätzende Wirkung auf die Schleimhäute. Auch der Geruch ist angenehm neutral. Daher wird der Stoff besonders in der Kinderanästhesie eingesetzt. Das Arzneimittel darf nur von medizinischem Fachpersonal verabreicht werden. Dieses muss in der Verabreichung des Medikaments geschult sein. Ferner ist es notwendig, dass ein Anästhesist die Medikation überwacht.
Sevofluran darf nicht verwendet werden, wenn der Patient allergisch auf diesen Stoff und ähnlich wirkende Narkosemittel reagiert. Zudem darf das Medikament bei Verdacht auf maligne Hyperthermie nicht eingesetzt werden. Unter maligner Hyperthermie ist eine krankhaft erhöhte Körpertemperatur zu verstehen. Diese kann zu massiven Entgleisungen des Stoffwechsels führen und lebensgefährlich sein.
Die Dosierung von Sevofluran ist abhängig von Körpergewicht, Körpergröße, Alter, Geschlecht und der Art und geschätzten Dauer des operativen Eingriffs. Der Anästhesist überwacht den Zustand des Patienten während der gesamten Therapie. Er entscheidet, wann die Medikation beendet ist.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Sevofluran, einem Inhalationsanästhetikum, sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten, um eine sichere und effektive Anästhesie zu gewährleisten. Sevofluran wird hauptsächlich zur Einleitung und Aufrechterhaltung der allgemeinen Anästhesie verwendet.
Dosierung:
Die Dosierung von Sevofluran variiert je nach Alter, Gewicht, Gesundheitszustand des Patienten und der Art des Eingriffs. Bei Erwachsenen wird die Anästhesieeinleitung typischerweise mit einer Konzentration von 0,5 bis 1 % begonnen, die dann je nach Bedarf schrittweise erhöht wird. Die Aufrechterhaltung der Anästhesie erfolgt normalerweise bei einer Konzentration von 1 bis 4 %. Bei Kindern beginnt die Einleitung oft mit höheren Konzentrationen, etwa 1,5 bis 3 %, um eine schnelle Induktion zu erreichen.
Verabreichung:
Sevofluran wird über ein spezielles Anästhesiegerät verabreicht, das die genaue Konzentration des Gases im Atemkreislauf des Patienten kontrolliert. Der Patient inhaliert das Anästhetikum durch eine Maske oder einen Endotrachealtubus. Es ist wichtig, die Atmung, den Sauerstoffgehalt im Blut, den Blutdruck und andere Vitalparameter kontinuierlich zu überwachen, um eine sichere Anästhesie zu gewährleisten.
Vorsichtsmaßnahmen:
Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit vorbestehenden Atemwegserkrankungen, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen und bei älteren Menschen geboten. Sevofluran kann die Herzfrequenz und den Blutdruck beeinflussen, weshalb eine sorgfältige Überwachung erforderlich ist. Es besteht auch das Risiko einer malignen Hyperthermie, einer seltenen, aber potenziell lebensbedrohlichen Reaktion auf Anästhetika. Daher sollten geeignete Maßnahmen zur schnellen Behandlung bereitstehen.
Nebenwirkungen:
Zu den möglichen Nebenwirkungen gehören Übelkeit, Erbrechen, Blutdruckabfall, Atemdepression und postoperative Schüttelfrost. Patienten sollten nach der Anästhesie überwacht werden, bis sie vollständig wach und stabil sind.
Die genaue Handhabung und Dosierung von Sevofluran erfordert Fachkenntnisse und sollte nur von erfahrenen Anästhesisten durchgeführt werden, um die Sicherheit und das Wohlbefinden des Patienten zu gewährleisten.
Risiken & Nebenwirkungen
Wie nahezu jedes Arzneimittel kann auch Sevofluran zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Sehr häufig auftretende Nebenwirkungen sind Husten, Übelkeit, Erbrechen, Verlangsamung der Herztätigkeit, Zittern, Bewegungsdrang und ein niedriger Blutdruck. Relativ häufig treten Schläfrigkeit, Benommenheit, Fieber, Schüttelfrost und Atemwegserkrankungen auf.
Die Einnahme des Arzneimittels kann weiterhin zu einem erhöhten Gehalt an Leberfunktionswerten, weißen Blutkörperchen und Glukose im Blut führen. Gelegentlich treten Störungen der elektrischen Reizweiterleitung am AV-Knoten des Herzens auf.
Nicht auszuschließen sind weitere mögliche Nebenwirkungen wie unter anderem eine Leberentzündung, Hautausschlag, Juckreiz, Brustschmerzen, Entzündungen der Haut, Krampfanfälle, Atemnot, Nesselsucht, Gesichtsschwellungen und Herzstillstand.
Kontraindikationen
Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Sevofluran betreffen verschiedene medizinische Zustände und Patientengruppen, bei denen das Anästhetikum nicht angewendet werden sollte, um das Risiko schwerwiegender Komplikationen zu vermeiden.
Maligne Hyperthermie:
Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine bekannte oder vermutete Anfälligkeit für maligne Hyperthermie. Diese seltene, aber potenziell lebensbedrohliche Reaktion auf Anästhetika kann zu einem schnellen Anstieg der Körpertemperatur und schweren Muskelkrämpfen führen. Patienten mit einer familiären Vorgeschichte dieser Erkrankung sollten Sevofluran nicht erhalten.
Schwere Leberfunktionsstörungen:
Sevofluran sollte bei Patienten mit schweren Leberfunktionsstörungen mit Vorsicht angewendet werden, da das Medikament die Leber weiter belasten und das Risiko für Hepatotoxizität erhöhen kann.
Bekannte Überempfindlichkeit:
Patienten mit einer bekannten Überempfindlichkeit oder Allergie gegen Sevofluran oder andere halogenierte Anästhetika sollten das Medikament nicht erhalten. Eine allergische Reaktion kann schwerwiegende Konsequenzen haben, einschließlich anaphylaktischer Schock.
Intrakranielle Drucksteigerung:
Bei Patienten mit erhöhtem intrakraniellem Druck (ICP) sollte Sevofluran vorsichtig eingesetzt werden, da es den ICP weiter erhöhen kann. Eine sorgfältige Überwachung ist erforderlich, um Komplikationen zu vermeiden.
Nierenfunktionsstörungen:
Bei Patienten mit vorbestehenden Nierenfunktionsstörungen ist Vorsicht geboten, da Sevofluran durch die Nieren ausgeschieden wird und eine weitere Beeinträchtigung der Nierenfunktion möglich ist.
Schwangerschaft und Stillzeit:
Sevofluran sollte während der Schwangerschaft und Stillzeit nur verwendet werden, wenn es unbedingt notwendig ist. Obwohl keine ausreichenden Studien am Menschen vorliegen, die auf ein erhöhtes Risiko hinweisen, sollte das mögliche Risiko gegen den Nutzen abgewogen werden.
Kardiovaskuläre Instabilität:
Patienten mit instabilen kardiovaskulären Zuständen, wie schwerem Hypotonie oder dekompensierter Herzinsuffizienz, sollten Sevofluran nur unter strenger Überwachung erhalten, da das Medikament den Blutdruck und die Herzfrequenz beeinflussen kann.
Diese Kontraindikationen müssen vor der Anwendung von Sevofluran sorgfältig abgewogen werden, um die Sicherheit und das Wohlbefinden des Patienten zu gewährleisten.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Bei der Verwendung von Sevofluran können mehrere Interaktionen mit anderen Medikamenten auftreten, die sowohl die Wirkung von Sevofluran als auch die anderer Medikamente beeinflussen können.
Muskelrelaxantien:
Sevofluran verstärkt die Wirkung nicht-depolarisierender Muskelrelaxantien wie Pancuronium, Vecuronium und Rocuronium. Dies kann zu einer verlängerten Muskelentspannung führen, was eine Anpassung der Dosierung dieser Medikamente erforderlich macht. Depolarisierende Muskelrelaxantien wie Succinylcholin können ebenfalls verstärkt werden.
Opioide:
Die gleichzeitige Anwendung von Opioiden wie Fentanyl, Morphin oder Remifentanil kann die zentrale dämpfende Wirkung von Sevofluran verstärken. Dies kann zu einer erhöhten Atemdepression führen und erfordert eine sorgfältige Überwachung der Atemfunktion.
Benzodiazepine:
Benzodiazepine wie Midazolam oder Diazepam, die zur Prämedikation oder als Teil der Narkose verwendet werden, können die sedative und hypnotische Wirkung von Sevofluran verstärken. Eine Dosisanpassung kann notwendig sein, um eine übermäßige Sedierung zu vermeiden.
Blutdrucksenkende Medikamente:
Sevofluran kann die blutdrucksenkende Wirkung von Medikamenten wie Beta-Blockern, ACE-Hemmern und Kalziumkanalblockern verstärken. Dies kann zu Hypotonie führen, insbesondere bei Patienten mit vorbestehender kardiovaskulärer Erkrankung.
Katecholamine und Sympathomimetika:
Die Verwendung von Adrenalin, Noradrenalin oder anderen sympathomimetischen Substanzen kann das Risiko für Arrhythmien bei Patienten, die Sevofluran erhalten, erhöhen. Eine sorgfältige Überwachung ist notwendig, um kardiovaskuläre Komplikationen zu vermeiden.
Andere Anästhetika:
Die gleichzeitige Verwendung von Sevofluran mit anderen inhalativen Anästhetika oder intravenösen Anästhetika kann die anästhetische Wirkung verstärken. Eine Dosisanpassung und eine engmaschige Überwachung sind erforderlich, um eine übermäßige Sedierung oder unerwünschte Wirkungen zu verhindern.
Enzyminduktoren:
Medikamente, die mikrosomale Leberenzyme induzieren, wie Rifampicin oder Phenobarbital, können den Metabolismus von Sevofluran beschleunigen und dessen Wirkdauer verkürzen. Dies kann eine Anpassung der Anästhesieplanung erfordern.
Eine genaue Kenntnis dieser möglichen Wechselwirkungen ist wichtig, um eine sichere und effektive Anästhesie mit Sevofluran zu gewährleisten. Eine enge Überwachung und eine sorgfältige Anpassung der Dosierung anderer Medikamente sind entscheidend, um unerwünschte Wirkungen zu vermeiden.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Sevofluran nicht vertragen wird, stehen mehrere alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, um eine sichere und effektive Anästhesie zu gewährleisten.
Inhalationsanästhetika:
Isofluran: Isofluran ist ein häufig verwendetes Inhalationsanästhetikum, das bei der Einleitung und Aufrechterhaltung der Anästhesie eingesetzt werden kann. Es hat eine gute Steuerbarkeit und ist bei vielen Patienten gut verträglich.
Desfluran: Desfluran zeichnet sich durch eine sehr schnelle Ein- und Ausleitung aus, was es besonders für kürzere Eingriffe geeignet macht. Es ist jedoch teurer und erfordert spezielle Verdampfungsgeräte.
Intravenöse Anästhetika:
Propofol: Propofol ist ein weit verbreitetes intravenöses Anästhetikum, das eine schnelle Einleitung und kurze Aufwachzeit bietet. Es eignet sich gut für die Einleitung und Aufrechterhaltung der Anästhesie, besonders bei Patienten, die auf Inhalationsanästhetika reagieren.
Thiopental: Thiopental ist ein Barbiturat, das schnell wirkt und häufig für die Einleitung der Anästhesie verwendet wird. Es ist besonders nützlich bei Patienten, die eine schnelle Induktion benötigen.
Etomidat: Etomidat ist ein weiteres intravenöses Anästhetikum, das eine schnelle Einleitung bietet und wenig kardiovaskuläre Nebenwirkungen hat. Es wird häufig bei Patienten mit eingeschränkter Herzfunktion verwendet.
Opioide und Benzodiazepine:
Fentanyl: Fentanyl und andere Opioide können zur Schmerzbekämpfung und als Teil einer balancierten Anästhesie verwendet werden. Sie helfen, die erforderliche Dosis von Anästhetika zu reduzieren.
Midazolam: Midazolam und andere Benzodiazepine können zur Sedierung und Anxiolyse vor und während der Operation eingesetzt werden.
Regionalanästhesie:
Spinal- und Epiduralanästhesie: Diese Techniken blockieren die Nervenübertragung im unteren Teil des Körpers und sind besonders nützlich für Eingriffe an den unteren Extremitäten oder im Beckenbereich.
Nervenblockaden: Lokalanästhetika wie Lidocain oder Bupivacain können gezielt eingesetzt werden, um bestimmte Nerven oder Nervenplexus zu blockieren und somit eine Region des Körpers zu betäuben.
Die Wahl der Anästhesiemethode hängt von der Art des Eingriffs, dem Gesundheitszustand des Patienten und den individuellen Reaktionen auf Anästhetika ab. Eine sorgfältige Abwägung und Absprache mit dem Anästhesisten ist entscheidend, um die bestmögliche Anästhesie für den Patienten zu gewährleisten.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor