Fosamprenavir

Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer. nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 6. März 2025Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Bei dem medizinischen Wirkstoff Fosamprenavir handelt es sich um ein sogenanntes Virostatikum aus der Familie der HIV-Proteseinhibitoren. Er kommt zur Behandlung von HIV-Infektionen zum Einsatz und soll eine Ausbildung der Krankheit AIDS (kurz für: Acquired Immune Deficiency Syndrome) verhindern. Fosamprenavir wird unter dem Handelsnamen Telzir® vertrieben und von GlaxoSmithKline plc. mit Sitz in London, UK hergestellt.
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Was ist Fosamprenavir?

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Der Arzneistoff Fosamprenavir ist ein Virostatikum. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe von Medikamenten, die die Vermehrung von Viren unterbindet. Das Medikament gehört zur Familie der HIV-Proteaseinhibitoren. Hiermit werden Wirkstoffe bezeichnet, welche gezielt die Aktivität der eiweißspaltenden Enzyme des HI-Virus hemmen. Teil dieser Gruppe sind neben Fosamprenavir auch die Präparate Nelfinavir und Lopinavir.
Durch die Unterbindung der Eiweißspaltung wird die Replikation des HI-Virus erheblich verlangsamt.
Fosamprenavir wird in Tablettenform und als Suspension angewendet. Eine Suspension ist eine Aufschwemmung kleiner Teilchen, die in Flüssigkeit gegeben werden, jedoch nicht löslich sind. Medikamente, die Fosamprenavir enthalten, sind in ganz Europa verschreibungspflichtig. Eine eigenständige Einnahme ohne ärztliches Rezept ist untersagt. In Deutschland besteht somit auch eine Apothekenpflicht.
Pharmakologische Wirkung
Als Virostatikum Fosamprenavir hemmt die Vermehrung des HI-Virus im menschlichen Körper. Anders als Bakterien verfügen Viren nicht über einen eigenständigen Stoffwechsel, in den medikamentös eingegriffen werden könnte. Hierdurch ist die Therapie von Viren grundsätzlich erheblich erschwert. Denn der Stoffwechsel bietet in der Regel eine gut erreichbare Angriffsfläche zur Zerstörung einer Bakterie.
Der Arzneistoff Fosamprenavir setzt deshalb an der Eiweißspaltung der im Körper enthaltenen HI-Viren an. Die Spaltung von Eiweißen (Enzymen) wird durch Fosamprenavir und ähnliche Medikamente der HIV-Proteaseinhibitoren gehemmt. Hierdurch werden in der vom Virus befallenen Wirtszelle des Körpers keine weiteren infektiösen Viren mehr gebildet, da HI-Viren auf das von ihnen erzeugte Enzym (Protease) angewiesen sind, um gesunde Blutkörperchen (CD-4-Zellen) befallen zu können.
Der Abbau bzw. die Ausscheidung von Fosamprenavir erfolgt vorwiegend durch die Leber bzw. den Stuhl. Die Halbwertszeit bis zur vollständigen Ausscheidung des Wirkstoffes beträgt im Durchschnitt ca. 7 Stunden.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Fosamprenavir wird ausschließlich in Kombination mit anderen Medikamenten im Rahmen einer umfassenden und ärztlich vollständig überwachten HIV-Therapie eingesetzt (Kombinationstherapie). Eine Indikation liegt nur bei einer gleichzeitigen Anwendung von gering dosiertem Ritonavir bzw. ähnlichen antiretroviralen Arzneimitteln vor. Ritonavir erhöht den Wirkstoffspiegel von Fosamprenavir.
Die empfohlene Tagesmenge an Fosamprenavir beträgt zweimal täglich je eine Filmtablette mit jeweils 700 mg Wirkstoff. Zusätzlich zu diesen zwei Tabletten sollen die anderen HIV-Präparate (z. B. 100 g Ritonavir) eingenommen werden. Insgesamt nimmt ein Patient also vier Tabletten am Tag zu sich (zwei Tabletten Fosamprenavir und zwei Tabletten Ritonavir). Im Vergleich zu Behandlungen mit dem Vorgängerpräparat Amprenavir kommt es also zu einer erheblichen Reduzierung der täglich eingenommen Tabletten.
Fosamprenavir findet keine Anwendung zur präventiven HIV-Behandlung im Rahmen einer sogenannten PrEP (Pre-exposure prophylaxis). Der Anwendungsbereich bleibt auf die HIV-Kombinationstherapie beschränkt.
Verabreichung & Dosierung
Fosamprenavir ist ein Proteaseinhibitor, der zur Behandlung von HIV-Infektionen eingesetzt wird. Es handelt sich um eine Prodrug von Amprenavir, das nach der Einnahme im Körper in seine aktive Form umgewandelt wird. Die richtige Dosierung und Verabreichung sind entscheidend, um die Viruslast effektiv zu kontrollieren und Resistenzen zu vermeiden.
Die Standarddosierung für nicht vorbehandelte Erwachsene beträgt 1.400 mg einmal täglich in Kombination mit Ritonavir (eine Verstärkung der Wirkung durch pharmakokinetische Boosterung). Alternativ kann 700 mg zweimal täglich mit 100 mg Ritonavir zweimal täglich eingenommen werden. Bei Patienten, die bereits mit anderen antiretroviralen Medikamenten behandelt wurden, kann eine Anpassung der Dosierung notwendig sein.
Fosamprenavir sollte mit oder ohne Nahrung eingenommen werden, wobei eine regelmäßige Einnahme zu gleichen Tageszeiten empfohlen wird, um eine konstante Wirkstoffkonzentration im Blut aufrechtzuerhalten.
Bei Nieren- oder Leberfunktionsstörungen ist Vorsicht geboten, insbesondere bei mäßigen bis schweren Lebererkrankungen, da die Metabolisierung des Medikaments in der Leber erfolgt. Zudem können Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten, insbesondere mit CYP3A4-abhängigen Substanzen wie Rifampicin oder Johanniskraut, die die Wirksamkeit von Fosamprenavir reduzieren können. Regelmäßige ärztliche Kontrollen sind daher erforderlich.
Risiken & Nebenwirkungen
Fosamprenavir muss zwingend zusammen mit gering dosiertem Ritonavir bzw. anderen antiretroviralen Arzneimitteln eingesetzt werden. Nur so kann der verfolgte Zweck wirksam erreicht werden. Jede Anwendung muss deshalb mit einem Arzt oder Apotheker abgesprochen werden. Die Einnahme von Fosamprenavir ist untersagt, wenn Überempfindlichkeiten (Allergien) gegen Fosamprenavir, Amprenavir oder weitere Bestandteile der HIV-Medikamente bestehen.
Medikamente, die Fosamprenavir enthalten, dürfen nicht mit den folgenden Präparaten eingenommen werden:
- Astemizol bzw. Terfenadin (symptomatische Behandlung von Allergien)
- Alfuzosin (Behandlung von Prostataerkrankungen)
- Cisaprid (Behandlung von Verdauungsstörungen)
- Pimozid (Therapie einer Schizophrenie)
- Ergotaminderivate (in einigen Kopfschmerztabletten enthalten),
- Rifampicin (Therapie einer Tuberkulose)
- Propafenon, Quinidin, Flecainid oder Amiodaron (Präparate zur Therapie von Erkrankungen des Herzens)
- Sildenafil (Behandlung von Erektionsstörungen und Erkrankungen der Lungengefäße)
- Präparate, die Johanniskraut enthalten
Fosamprenavir kann Nebenwirkungen verursachen. Bisher wurden die folgenden Nebenwirkungen bekannt:
- Durchfall
- Erhöhungen des Cholesterinspiegels im Blut
- Erhöhte_Blutfettwerte
- allgemeines Unwohlsein und Krankheitsgefühle (auch in Verbindung mit Übelkeit, Erbrechen und Bauchschmerzen)
- Hautreizungen (Schwellungen, Jucken, Rötungen
- Kopfschmerzen
- Schwindelgefühle
- Müdigkeit
- Taubheitsgefühle bzw. ein Kribbeln im Mundbereich
- erhöhte Transaminase- und Lipasewerte
- Gesichtsschwellungen (insbesondere der Lippen oder der Zunge)
- Entwicklung eines Stevens-Johnson-Syndroms. Hierbei handelt es sich um eine schwere Hautreaktion, die auch lebensbedrohliche Ausmaße annehmen kann.
Kontraindikationen
Fosamprenavir darf nicht bei Patienten angewendet werden, die eine Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einem der Hilfsstoffe in der Tablette oder Suspension zeigen. Eine allergische Reaktion kann sich durch Hautausschläge, Atemnot oder Schwellungen äußern und erfordert einen sofortigen Therapieabbruch.
Schwere Lebererkrankungen, insbesondere eine dekompensierte Leberzirrhose, stellen eine weitere Kontraindikation dar, da Fosamprenavir in der Leber verstoffwechselt wird und eine eingeschränkte Leberfunktion zu einer verstärkten Wirkstoffanreicherung und erhöhten Nebenwirkungen führen kann.
Die gleichzeitige Anwendung von starken CYP3A4-Induktoren, wie Rifampicin oder Johanniskraut, ist kontraindiziert, da diese die Metabolisierung von Fosamprenavir stark beschleunigen und somit die Wirksamkeit erheblich reduzieren. Ebenso sollten bestimmte Medikamente, wie Midazolam oder Triazolam, die stark über CYP3A4 abgebaut werden, nicht gleichzeitig eingenommen werden, da das Risiko schwerer Nebenwirkungen durch erhöhte Plasmakonzentrationen steigt.
Patienten mit einer schweren Niereninsuffizienz sollten Fosamprenavir ebenfalls mit Vorsicht anwenden, da der Wirkstoff durch den Körper langsamer ausgeschieden wird, was die Nebenwirkungen verstärken kann.
Zudem ist die Anwendung in der Schwangerschaft nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung durch den behandelnden Arzt empfohlen, da nicht genügend Daten zur Sicherheit vorliegen.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Fosamprenavir wird in der Leber über das Enzym CYP3A4 metabolisiert, weshalb es zahlreiche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln geben kann.
Starke CYP3A4-Induktoren, wie Rifampicin, Johanniskraut oder Phenytoin, beschleunigen den Abbau von Fosamprenavir erheblich und verringern so seine Wirksamkeit. Diese Kombinationen sind daher kontraindiziert. Ebenso kann Carbamazepin die Plasmakonzentrationen von Fosamprenavir senken, sodass eine alternative Therapie in Betracht gezogen werden sollte.
CYP3A4-Inhibitoren, wie Ketoconazol oder Clarithromycin, können hingegen den Abbau von Fosamprenavir verlangsamen, was zu erhöhten Medikamentenspiegeln und verstärkten Nebenwirkungen führen kann. Eine Dosisanpassung kann notwendig sein.
Bei gleichzeitiger Anwendung mit Hormonellen Kontrazeptiva, insbesondere östrogenhaltigen Pillen, kann Fosamprenavir deren Wirksamkeit verringern, weshalb eine zusätzliche nicht-hormonelle Verhütungsmethode empfohlen wird.
Auch Wechselwirkungen mit anderen antiretroviralen Medikamenten sind möglich. Wird Fosamprenavir mit Ritonavir kombiniert, verstärkt dies seine Bioverfügbarkeit, da Ritonavir ein starker CYP3A4-Hemmer ist. Gleichzeitig kann jedoch die Konzentration anderer Proteaseinhibitoren beeinflusst werden, was sorgfältige ärztliche Überwachung erfordert.
Zusätzlich kann Fosamprenavir die Plasmaspiegel von Midazolam, Triazolam oder Statinen erhöhen, was zu verstärkten Nebenwirkungen führen kann. In solchen Fällen sollten alternative Medikamente erwogen oder die Dosierung angepasst werden.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Fosamprenavir nicht vertragen wird, stehen verschiedene alternative Proteaseinhibitoren (PIs) sowie andere antiretrovirale Wirkstoffklassen zur Verfügung. Eine gängige Alternative innerhalb der Proteaseinhibitoren ist Darunavir, das ebenfalls in Kombination mit Ritonavir oder Cobicistat verabreicht wird. Es gilt als gut verträglich und weist eine hohe Resistenzbarriere auf.
Ein weiteres Proteaseinhibitor-basiertes Regime könnte Atazanavir, oft kombiniert mit Ritonavir, sein. Es hat eine vergleichbare Wirksamkeit zu Fosamprenavir, kann jedoch in manchen Fällen zu erhöhtem Bilirubinspiegel führen.
Alternativ können Integrase-Inhibitoren (INSTIs) wie Dolutegravir oder Bictegravir eingesetzt werden. Diese Wirkstoffe haben ein günstiges Nebenwirkungsprofil und wirken besonders effektiv gegen HIV, indem sie das Einfügen des Virusgenoms in die DNA der Wirtszelle verhindern.
Auch Nicht-Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) wie Efavirenz oder Rilpivirin kommen als Ersatz infrage. Diese Medikamente hemmen die Virusreplikation auf eine andere Weise als Proteaseinhibitoren und werden oft mit Nukleosidischen Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs) wie Tenofovir und Emtricitabin kombiniert.
Die Wahl der Alternativtherapie hängt von der individuellen Resistenzlage, Begleiterkrankungen und Verträglichkeit der Wirkstoffe ab. Ein Wechsel sollte immer in Absprache mit einem spezialisierten Arzt erfolgen.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor