Indinavir
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 24. Juli 2024Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.
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Indinavir gehört zu den Proteaseinhibitoren. Der medizinische Wirkstoff dient zur Therapie von HIV-Infektionen.
Inhaltsverzeichnis |
Was ist Indinavir?
Als Indinavir wird ein antiviraler Arzneistoff bezeichnet, der der Gruppe der HIV-Proteasehemmer angehört und zur Behandlung von HIV-Infektionen zum Einsatz gelangt. Die HIV-Proteaseinhibitoren finden im Rahmen einer speziellen „Highly Active Antiretroviral Therapy“ (HAART) gemeinsam mit weiteren antiretroviralen Arzneistoffen wie NRTI (Nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) und NNRTI (Nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren) Verwendung.
Die Entwicklung von Indinavir erfolgte durch das amerikanische Pharmaunternehmen Merck & Co bzw. MSD Sharp & Drohme (MSD). Der Konzern entwickelte orale Darreichungsformen des Proteaseinhibitors, die schließlich 1996 sowohl von der US-Arzneimittelbehörde FDA als auch von der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zugelassen wurden.
In den 1990er Jahren zählte Indinavir zu den effektivsten antiviralen Arzneistoffen. Im Laufe der Zeit wurde das Medikament jedoch in zunehmendem Maße von besser wirksameren HIV-Proteaseinhibitoren abgelöst.
Pharmakologische Wirkung
Durch Indinavir kommt es zu einer Bindung an die virale HIV-Protease. Diese ist wichtig für das Reproduzieren des Krankheitserregers. Der Vorgang führt zur Hemmung des viralen Enzyms, was wiederum einer Vermehrung des Virus entgegenwirkt. Schließlich erfolgt eine Abnahme der Virusbelastung.
Eine Anwendung von Indinavir gilt eher bei AIDS-Patienten vom Typ 1 als sinnvoll, da das Medikament eine größere Affinität zu HIV-1 aufweist als zu HIV-2. Im Blutkreislauf bindet sich Indinavir zu ungefähr 60 Prozent an Plasmaproteine. In der Leber finden Metabolisierung und Abbau des Wirkstoffes statt.
Indinavir weist den Nachteil auf, dass die Einnahme des Mittels alle acht Stunden erfolgen muss. Nur auf diese Weise ist eine genügende Bioverfügbarkeit gewährleistet. Es wird empfohlen, Indinavir entweder eine Stunde vor einer Mahlzeit zu sich zu nehmen oder erst eine Stunde nach dem Essen. Sind die Speisen reichhaltig an Proteinen (Eiweißen) und Fett, hat dies eine deutliche Verringerung der Resorption zur Folge. Mediziner halten grundsätzlich eine Darreichung auf nüchternen Magen für sinnvoll.
Medizinische Anwendung & Verwendung
Verabreicht wird Indinavir zur Behandlung von Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab vier Jahren zur Therapie von HIV-Infektionen. Außerdem eignet sich der Proteaseinhibitor zur postexpositionellen Vorbeugung von erwachsenen Personen. Als einzelnes Medikament kommt Indinavir nicht zur Anwendung, was auf die Resistenzentwicklung der HI-Viren zurückzuführen ist. Stattdessen wird der Arzneistoff mit anderen antiviralen Medikamenten kombiniert. Dabei kann es sich zum Beispiel um Zidovudin oder Lamivudin handeln.
Die empfohlene Dosis von Indinavir beträgt pro Tag 3 x 800 Milligramm. Durch eine geringere Dosis drohen erhebliche Wirkungseinbußen. In größeren Mengen darf der Proteaseinhibitor jedoch nicht eingenommen werden. Die Einnahme der Kapseln findet alle acht Stunden mit einem Glas Wasser oder Magermilch statt. Alternativ ist auch die Darreichung mit Tee, Kaffee oder Saft möglich.
Um Nierensteinen entgegenzuwirken, ist es ratsam, dem Körper pro Tag mindestens sechs Gläser mit Wasser zuzuführen. Soll das Medikament zusammen mit einer Mahlzeit verabreicht werden, empfehlen sich leichte Speisen wie Cornflakes oder Toast mit Marmelade. Wichtig ist außerdem, Indinavir vor Wärme und Feuchtigkeit zu schützen.
Verabreichung & Dosierung
Bei der Verabreichung und Dosierung von Indinavir, einem Proteasehemmer zur Behandlung von HIV-Infektionen, sind mehrere wichtige Aspekte zu beachten. Indinavir sollte in der Regel als Teil einer antiretroviralen Kombinationstherapie eingenommen werden, um die Viruslast zu reduzieren und die Resistenzentwicklung zu minimieren. Die Standarddosis für Erwachsene beträgt 800 mg alle acht Stunden.
Indinavir sollte auf nüchternen Magen eingenommen werden, entweder eine Stunde vor oder zwei Stunden nach einer Mahlzeit, um die optimale Absorption zu gewährleisten. Es kann auch mit einer leichten, fettarmen Mahlzeit eingenommen werden, wenn der Patient Schwierigkeiten hat, es auf nüchternen Magen zu nehmen. Eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist wichtig, um das Risiko von Nierensteinen zu verringern; Patienten sollten mindestens 1,5 Liter Wasser pro Tag trinken.
Die Dosierung kann bei bestimmten Patientengruppen angepasst werden. Bei Patienten mit leichter bis mittelschwerer Leberinsuffizienz sollte die Dosis auf 600 mg alle acht Stunden reduziert werden. Auch bei gleichzeitiger Einnahme bestimmter Medikamente, die die Plasmakonzentration von Indinavir beeinflussen, können Dosisanpassungen erforderlich sein. Dazu gehören beispielsweise Rifampicin, Ketoconazol und andere Proteasehemmer.
Regelmäßige Überwachung ist unerlässlich, um mögliche Nebenwirkungen wie Hyperbilirubinämie, Nephrolithiasis und Anzeichen einer Lipodystrophie zu erkennen. Patienten sollten über die Symptome dieser Nebenwirkungen informiert und angehalten werden, sofort einen Arzt aufzusuchen, wenn sie diese bemerken.
Risiken & Nebenwirkungen
Die Einnahme von Indinavir kann mitunter unerwünschte Nebenwirkungen nach sich ziehen. Bei ca. sechs Prozent aller Patienten ist aufgrund von starken Nebenwirkungen sogar der Abbruch der Therapie notwendig. In den meisten Fällen kommt es zu Störungen des Verdauungstraktes wie Durchfall, Bauchschmerzen und Übelkeit. Als eher seltener unerwünschter Nebeneffekt gilt die Ausprägung eines Stiernackens, bei dem es zu einer unnormalen Umverteilung von Fett im Nackenbereich kommt.
Weitere denkbare Nebenwirkungen sind Veränderungen des Stoffwechsels wie eine Hyperglykämie, eine Hypercholesterinämie oder eine Hypertriglyceridämie, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwächegefühle, Blutungen im Falle einer Hämophilie, Hautausschlag, Lipiderhöhungen, Veränderungen an der Geschmackswahrnehmung, Nephrotoxizität, das Sicca-Syndrom, das mit trockenen Augenschleimhäuten, einem trockenen Mund sowie trockener Haut einhergeht, eingewachsene Zehennägel, Nagelbettentzündungen, Haarausfall und Leberfunktionsstörungen. Bei bis zu 25 Prozent aller Patienten kommt es zur Ausprägung von Nierensteinen.
Indinavir darf aufgrund von Interaktionen des Cytochrom-Systems nicht zur gleichen Zeit mit bestimmten anderen Medikamenten wie Benzodiazepinen, Cisaprid, Rifampicin, Terfenadin oder Astemizol verabreicht werden. Dies könnte Veränderungen am Blutplasmaspiegel sowie ausgeprägte Nebenwirkungen zur Folge haben.
Kontraindikationen
Bei der Verwendung von Indinavir gibt es mehrere typische Kontraindikationen, die beachtet werden müssen. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist die Überempfindlichkeit gegenüber Indinavir oder einem seiner Bestandteile. Patienten, die eine bekannte Allergie gegen diesen Wirkstoff haben, sollten Indinavir nicht einnehmen.
Eine weitere wesentliche Kontraindikation betrifft die gleichzeitige Einnahme bestimmter Medikamente, die mit Indinavir interagieren können. Dazu gehören Medikamente wie Rifampicin, das die Wirkung von Indinavir erheblich vermindern kann, und Johanniskraut, das ebenfalls die Plasmakonzentration von Indinavir senken kann. Auch bestimmte Antiarrhythmika, Ergot-Derivate, und Statine (wie Simvastatin und Lovastatin) sollten vermieden werden, da sie das Risiko schwerer Nebenwirkungen erhöhen können.
Patienten mit schweren Lebererkrankungen sollten Indinavir nicht einnehmen, da das Medikament über die Leber metabolisiert wird und eine beeinträchtigte Leberfunktion zu erhöhten Konzentrationen und somit zu verstärkten Nebenwirkungen führen kann.
Auch bei Patienten mit einer bekannten Anamnese von Nierensteinen oder schweren Nierenerkrankungen ist Vorsicht geboten. Da Indinavir das Risiko für die Bildung von Nierensteinen erhöht, sollten Patienten mit solchen Vorerkrankungen sorgfältig überwacht oder alternative Therapien in Erwägung gezogen werden.
Schwangere Frauen sollten Indinavir nur einnehmen, wenn der potenzielle Nutzen das Risiko für den Fötus überwiegt, da die Sicherheit während der Schwangerschaft nicht vollständig etabliert ist.
Bei der Verschreibung von Indinavir sollten Ärzte sorgfältig die medizinische Vorgeschichte des Patienten überprüfen und mögliche Kontraindikationen ausschließen, um eine sichere und wirksame Behandlung zu gewährleisten.
Interaktionen mit anderen Medikamenten
Indinavir, ein Proteasehemmer zur Behandlung von HIV, interagiert mit zahlreichen Medikamenten, was sowohl die Wirksamkeit von Indinavir als auch der anderen Medikamente beeinflussen kann. Eine bedeutende Interaktion besteht mit Rifampicin, einem Antibiotikum zur Behandlung von Tuberkulose. Rifampicin induziert die Cytochrom-P450-Enzyme, insbesondere CYP3A4, was zu einer erheblichen Reduktion der Plasmakonzentration von Indinavir und damit zu einer verminderten Wirksamkeit führt.
Johanniskraut, ein pflanzliches Mittel gegen Depressionen, hat eine ähnliche Wirkung wie Rifampicin und sollte daher ebenfalls vermieden werden. Es induziert ebenfalls das CYP3A4-Enzym und senkt die Konzentration von Indinavir im Blut.
Bestimmte Statine, wie Simvastatin und Lovastatin, sollten nicht zusammen mit Indinavir eingenommen werden. Indinavir hemmt das CYP3A4-Enzym, wodurch die Konzentrationen dieser Statine im Blut ansteigen können, was zu einem erhöhten Risiko für schwere Nebenwirkungen wie Myopathie oder Rhabdomyolyse führt.
Ergot-Derivate, die zur Behandlung von Migräne eingesetzt werden, sollten ebenfalls vermieden werden, da Indinavir deren Plasmakonzentration erhöhen und das Risiko von schweren Nebenwirkungen wie Ergotismus steigern kann.
Antiarrhythmika wie Amiodaron und Quinidin sind weitere Medikamente, die potenziell gefährliche Interaktionen mit Indinavir haben. Die Hemmung von CYP3A4 durch Indinavir kann die Konzentration dieser Medikamente im Blut erhöhen, was zu schwerwiegenden Herzrhythmusstörungen führen kann.
Indinavir kann auch die Wirkung von oralen Kontrazeptiva vermindern, weshalb zusätzliche nicht-hormonelle Verhütungsmethoden empfohlen werden. Andere HIV-Medikamente, insbesondere andere Proteasehemmer und nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs), können ebenfalls interagieren, weshalb die Dosierungen sorgfältig angepasst werden müssen.
Alternative Behandlungsmethoden
Wenn Indinavir nicht vertragen wird, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, um HIV-Infektionen effektiv zu behandeln. Eine häufige Alternative sind andere Proteasehemmer wie Ritonavir, Lopinavir (oft in Kombination mit Ritonavir als Kaletra), oder Atazanavir. Diese Medikamente wirken ähnlich wie Indinavir, indem sie das virale Enzym Protease hemmen, was die Virusvermehrung verhindert.
Integrase-Inhibitoren wie Raltegravir, Elvitegravir und Dolutegravir bieten eine weitere Behandlungsoption. Diese Wirkstoffe verhindern die Integration des viralen Genoms in die Wirts-DNA, was ein entscheidender Schritt im Replikationszyklus von HIV ist. Integrase-Inhibitoren haben sich als sehr wirksam erwiesen und werden oft gut vertragen.
Nicht-nukleosidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NNRTIs) wie Efavirenz, Nevirapin und Rilpivirin sind ebenfalls wichtige Bestandteile der antiretroviralen Therapie (ART). Sie wirken, indem sie die Reverse-Transkriptase, ein essentielles Enzym für die HIV-Replikation, hemmen.
Nukleosidische/nukleotidische Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NRTIs) wie Tenofovir, Emtricitabin, Abacavir und Lamivudin sind häufig verwendete Basis-Medikamente in der HIV-Therapie. Sie blockieren die Reverse-Transkriptase, wodurch die Virusvermehrung gehemmt wird.
Neue Klassen von antiretroviralen Medikamenten wie CCR5-Antagonisten (Maraviroc) und Fusionsinhibitoren (Enfuvirtid) bieten weitere Alternativen. Diese Wirkstoffe verhindern das Eindringen des Virus in die Wirtszelle, indem sie spezifische Rezeptoren oder Fusionsprozesse blockieren.
Kombinationstherapien, bei denen mehrere dieser Wirkstoffe in einer Tablette kombiniert werden, wie beispielsweise in Atripla (Efavirenz, Emtricitabin, Tenofovir) oder Genvoya (Elvitegravir, Cobicistat, Emtricitabin, Tenofovir), bieten den Vorteil einer vereinfachten Einnahme und erhöhen die Therapietreue der Patienten.
Quellen
- "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
- "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
- "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor