Lisurid

Medizinische Expertise: Dr. med. Nonnenmacher
Qualitätssicherung: Dipl.-Biol. Elke Löbel, Dr. rer nat. Frank Meyer
Letzte Aktualisierung am: 27. Juli 2024
Dieser Artikel wurde unter Maßgabe medizinischer Fachliteratur und wissenschaftlicher Quellen geprüft.

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Der Arzneistoff Lisurid gehört zur Wirkstoffklasse der Dopaminagonisten. Er zählt auch zu den Serotoninantagonisten und zu den HT2B-Antagonisten.

Inhaltsverzeichnis

Was ist Lisurid?

Hauptsächlich wird der Arzneistoff Lisurid in der Therapie von Parkinson verwendet.

Das Ergolin-Derivat Lisurid kommt bei verschiedenen Indikationen zum Einsatz. Hauptsächlich wird der Arzneistoff jedoch in der Therapie von Parkinson verwendet. Medikamente mit dem Wirkstoff Lisurid unterliegen in Deutschland der ärztlichen Verschreibungspflicht.

Lisurid ist ein Arzneistoff, der von Mutterkornalkaloiden abgeleitet wurde. Das Mutterkorn ist eine Form des Mutterkornpilzes. Es befällt Nahrungs-und Futtergetreide und weist aufgrund der enthaltenen Alkaloide eine hohe Toxizität auf. Das vom Mutterkorn abgeleitete Lisurid verfügt über ein Ergolingrundgerüst. Ergolin ist eine stickstoffhaltige, organisch chemische Verbindung und das Grundgerüst vieler Mutterkornalkaloide. Das Ergolin des Lisurids unterscheidet sich von den natürlich vorkommenden Ergolinen in einer speziellen Konfiguration des Ergolingerüsts.

Pharmakologische Wirkung

Lisurid gehört zu den sogenannten "Dirty Drugs". Der Begriff Dirty Drug wird für Medikamente genutzt, die sich im Gehirn an verschiedene Rezeptoren binden können. Dadurch wird eine sehr große Bandbreite erwirkt. Es kommt allerdings auch öfter zu Nebenwirkungen. Lisurid hat eine Affinität zu Serotoninrezeptoren, Dopaminrezeptoren, Adrenorezeptoren, Beta-Adrenorezeptoren und zu Histaminrezeptoren.

Medizinische Anwendung & Verwendung

Für die Wirksamkeit des Arzneistoffes in der Parkinson-Therapie ist die Affinität zu den Dopaminrezeptoren verantwortlich. Parkinson wird durch einen Untergang der dopaminproduzierenden Zellen in der Substantia nigra im Gehirn verursacht. Dopamin ist ein Neurotransmitter, der für den reibungslosen Ablauf von Bewegungsabläufen unabdingbar ist. Durch den Dopaminmangel kommt es zu Symptomen wie Bewegungsarmut, Muskelsteifheit, Gleichgewichtsstörungen, Zittern oder Gangstörungen. Lisurid kann sich an die Dopaminrezeptoren binden und diese stimulieren. Dadurch tritt eine dopaminähnliche Wirkung ein. Die Symptome der Parkinsonschen Krankheit werden entsprechend abgemildert.

Da Dopamin jedoch nicht nur in der Motorik eine Rolle spielt, sondern auch in der Hypophyse eine hemmende Wirkung auf die Sekretion des Hormons Prolaktin hat, verstärkt Lisurid die Prolaktinhemmung. Dies wirkt sich etwa auf den Milchfluss aus. Lisurid wird deshalb in Einzelfällen zur Hemmung der Laktation beim Abstillen eingesetzt. Auch prolaktinbedingte Amenorrhoe und krankhafter Milchfluss (Galaktorrhoe) sind Indikationen für Lisurid. Weitere Anwendungsgebiete sind das Restless-Legs-Syndrom und das maligne Neuroleptika-Syndrom.

In höherer Dosierung wirkt Lisurid an Serotoninrezeptoren als Antagonist. Die Rezeptoren werden gehemmt. Aufgrund dieser Wirkung wurde Lisurid lange Zeit vor seinem Einsatz als Anti-Parkinsonmittel zur Prophylaxe von Migräne eingesetzt. Heute hat der Wirkstoff dafür keine Zulassung mehr.


Verabreichung & Dosierung

Bei der Verabreichung und Dosierung von Lisurid, einem Dopamin-Agonisten zur Behandlung von Parkinson-Krankheit und Prolaktinomen, gibt es mehrere wichtige Aspekte zu beachten. Lisurid wird oral eingenommen, und die Dosierung muss individuell angepasst werden, um die beste therapeutische Wirkung zu erzielen und Nebenwirkungen zu minimieren.

Die Behandlung beginnt typischerweise mit einer niedrigen Dosis, um die Verträglichkeit zu verbessern. Die Anfangsdosis beträgt in der Regel 0,025 mg bis 0,05 mg, die einmal täglich eingenommen wird. Diese Dosis wird dann schrittweise erhöht, normalerweise in wöchentlichen Intervallen, um die gewünschte therapeutische Wirkung zu erreichen. Die Erhaltungsdosis liegt meist zwischen 0,2 mg und 1,2 mg pro Tag, aufgeteilt in mehrere Einzeldosen.

Während der Dosistitration ist es wichtig, die Patienten engmaschig zu überwachen, um mögliche Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schwindel, orthostatische Hypotonie und psychiatrische Symptome zu erkennen und zu behandeln. Um Übelkeit zu reduzieren, kann Lisurid zusammen mit einer Mahlzeit eingenommen werden.

Besondere Vorsicht ist bei Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen geboten, da Lisurid das Risiko für Herzklappenveränderungen und Fibrose erhöhen kann. Regelmäßige kardiologische Untersuchungen werden empfohlen, um diese Risiken zu überwachen.

Patienten sollten auch über das Risiko von plötzlichem Schlafdrang und Schläfrigkeit informiert werden, das bei der Einnahme von Lisurid auftreten kann, insbesondere bei Tätigkeiten wie dem Autofahren oder Bedienen von Maschinen.

Bei einer Unterbrechung der Behandlung oder einem Absetzen von Lisurid sollte die Dosis schrittweise reduziert werden, um Entzugssymptome und eine Verschlechterung der Symptome zu vermeiden. Die enge Zusammenarbeit mit dem behandelnden Arzt ist entscheidend, um die optimale Dosierung und Verabreichung zu gewährleisten und die bestmögliche therapeutische Wirkung zu erzielen.

Risiken & Nebenwirkungen

Nebenwirkungen wie Übelkeit, Benommenheit, Schwindel, Schwitzen oder Mundtrockenheit treten häufig zu Beginn der Therapie auf. Auch bei zu hoher Dosierung, bei einer Dosissteigerung oder bei einer Einnahme außerhalb der Mahlzeiten können Nebenwirkungen auftreten.

Zu den seltenen Nebenwirkungen gehören ein plötzlicher Blutdruckabfall und Retroperitonealfibrosen. Diese sind auch als Ormond-Syndrom bekannt. Es handelt sich dabei um Bindegewebsvermehrungen zwischen dem Bauchfell und der Wirbelsäule. Gefäße, Nerven und Harnleiter werden von dem Bindegewebe regelrecht ummauert. Die Erkrankung äußert sich in Form von schweren Schmerzen in den Flanken, im Hodensack, im Unterbauch und im Rücken. Durch die Einengung des Harnleiters kann es zum Rückstau von Urin in die Nieren kommen. Solche Fibrosierungen können nicht nur im Retroperitonealraum, sondern auch an den vier Herzklappen auftreten.

In Tierversuchen konnte nachgewiesen werden, dass Lisurid eine vorzeitige Ejakulation auslösen kann. Weibliche Ratten reagierten auf Lisurid mit der Ausbildung männlicher Verhaltensmuster. Ähnliche unerwünschte Wirkungen konnten beim Menschen allerdings bisher noch nicht nachgewiesen werden. Die sedierende Wirkung von Lisurid kann durch andere dämpfende Arzneimittel verstärkt werden. Wenn Lisurid zusammen mit Neuroleptika oder Dopaminantagonisten eingenommen wird, schwächen sich die Arzneistoffe gegenseitig ab.

Kontraindikationen für die Behandlung mit Lisurid sind Störungen der Leberfunktion und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch bei Organfibrosen, wie beispielsweise bei der Lungenfibrose, darf Lisurid nicht verabreicht werden. Andernfalls könnte es zu einem vermehrten pathologischen bindegewebigem Umbau des Organfunktionsgewebes kommen.

Lisurid darf in der Schwangerschaft nur in absoluten Ausnahmefällen eingesetzt werden. Bei Stillenden ist die milchhemmende Wirkung zu beachten. Eine weitere Kontraindikation für Lisurid sind Herzrhythmusstörungen.

Kontraindikationen

Typische Kontraindikationen bei der Verwendung von Lisurid betreffen verschiedene medizinische Zustände und Patientengruppen, bei denen das Medikament nicht angewendet werden sollte. Eine der wichtigsten Kontraindikationen ist eine bekannte Überempfindlichkeit oder Allergie gegenüber Lisurid oder einem der sonstigen Bestandteile des Medikaments. Diese kann zu schweren allergischen Reaktionen führen.

Lisurid sollte nicht bei Patienten mit schweren kardiovaskulären Erkrankungen angewendet werden, insbesondere bei solchen mit unbehandeltem Bluthochdruck oder Herzklappenerkrankungen. Das Medikament kann das Risiko für Herzklappenveränderungen und Fibrose erhöhen, was zu schwerwiegenden kardiovaskulären Komplikationen führen kann.

Patienten mit einer Vorgeschichte von psychiatrischen Erkrankungen, insbesondere von Psychosen oder schweren Depressionen, sollten Lisurid meiden, da es das Risiko für psychiatrische Nebenwirkungen wie Halluzinationen, Verwirrtheit und verstärkte Depressionen erhöhen kann.

Die Anwendung von Lisurid ist auch bei Patienten kontraindiziert, die eine schwere Leber- oder Nierenerkrankung haben, da diese Organe für den Abbau und die Ausscheidung des Medikaments verantwortlich sind und eine beeinträchtigte Funktion zu einer Akkumulation und toxischen Effekten führen kann.

Schwangere und stillende Frauen sollten Lisurid nicht einnehmen, da die Sicherheit und Wirksamkeit in diesen Populationen nicht ausreichend untersucht wurden und potenzielle Risiken für das ungeborene Kind oder den Säugling bestehen könnten.

Zudem sollte Lisurid nicht bei Patienten angewendet werden, die unter schwerer Hypotonie (niedrigem Blutdruck) leiden, da es das Risiko für orthostatische Hypotonie und damit verbundene Schwindelanfälle und Ohnmachtsanfälle erhöhen kann.

Eine sorgfältige Anamnese und medizinische Untersuchung sind unerlässlich, um mögliche Kontraindikationen zu identifizieren und eine sichere Anwendung von Lisurid zu gewährleisten.

Interaktionen mit anderen Medikamenten

Bei der Verwendung von Lisurid können verschiedene Interaktionen mit anderen Medikamenten auftreten, die sowohl die Wirksamkeit als auch die Sicherheit der Behandlung beeinflussen können. Eine wichtige Wechselwirkung besteht mit anderen Dopaminagonisten und Antipsychotika. Antipsychotika wie Haloperidol und Risperidon wirken als Dopaminantagonisten und können die Wirkung von Lisurid vermindern. Daher sollte eine gleichzeitige Anwendung vermieden werden.

Lisurid kann auch mit blutdrucksenkenden Medikamenten interagieren, insbesondere mit Medikamenten, die zur Behandlung von Bluthochdruck eingesetzt werden. Da Lisurid selbst eine blutdrucksenkende Wirkung hat, kann die Kombination mit anderen Antihypertensiva zu einer übermäßigen Blutdrucksenkung und damit zu Hypotonie führen. Patienten sollten sorgfältig überwacht werden, und die Dosierung von Antihypertensiva muss möglicherweise angepasst werden.

Die gleichzeitige Anwendung von Lisurid und anderen zentralnervös wirkenden Substanzen, einschließlich Alkohol und Beruhigungsmitteln, kann die sedierende Wirkung verstärken und das Risiko für Schläfrigkeit und plötzlichen Schlafdrang erhöhen. Patienten sollten über diese potenziellen Effekte informiert und angewiesen werden, beim Führen von Fahrzeugen oder Bedienen von Maschinen Vorsicht walten zu lassen.

Lisurid kann auch mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern (SSRIs) interagieren, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden. Diese Kombination kann das Risiko für das Serotonin-Syndrom erhöhen, ein potenziell lebensbedrohlicher Zustand, der durch übermäßige Serotoninaktivität im Gehirn verursacht wird.

Bei der Anwendung von Lisurid zusammen mit anderen Medikamenten, die die Leberenzymaktivität beeinflussen, wie zum Beispiel bestimmte Antibiotika oder Antimykotika, sollte ebenfalls Vorsicht walten, da diese Medikamente die Metabolisierung von Lisurid beeinflussen können.

Patienten sollten ihren Arzt über alle anderen eingenommenen Medikamente informieren, um potenzielle Wechselwirkungen zu vermeiden und eine sichere und effektive Behandlung zu gewährleisten. Regelmäßige Überwachung und Anpassung der Medikation sind entscheidend, um unerwünschte Effekte zu minimieren.

Alternative Behandlungsmethoden

Wenn Lisurid nicht vertragen wird, stehen verschiedene alternative Behandlungsmethoden und Wirkstoffe zur Verfügung, insbesondere für die Behandlung der Parkinson-Krankheit und Prolaktinome. Für die Parkinson-Krankheit gibt es mehrere Dopaminagonisten, die als Alternativen dienen können. Diese beinhalten Pramipexol und Ropinirol, die ähnlich wie Lisurid wirken, jedoch ein unterschiedliches Nebenwirkungsprofil aufweisen können.

Eine weitere Alternative ist Levodopa, das in Kombination mit einem Decarboxylase-Hemmer wie Carbidopa oder Benserazid angewendet wird. Levodopa ist das am häufigsten verwendete Medikament bei der Parkinson-Krankheit und wird direkt in Dopamin umgewandelt, um die Symptome zu lindern.

Monoaminoxidase-B-Hemmer (MAO-B-Hemmer) wie Selegilin und Rasagilin sind weitere Alternativen. Diese Medikamente hemmen den Abbau von Dopamin im Gehirn und erhöhen dadurch dessen Verfügbarkeit.

Bei Prolaktinomen können Dopaminagonisten wie Bromocriptin oder Cabergolin verwendet werden. Diese Medikamente wirken ähnlich wie Lisurid, indem sie die Freisetzung von Prolaktin hemmen und die Tumorgröße reduzieren.

Neben medikamentösen Therapien können auch nicht-pharmakologische Ansätze eine Rolle spielen. Für Parkinson-Patienten kann Physiotherapie helfen, die Beweglichkeit und Lebensqualität zu verbessern. In fortgeschrittenen Fällen kann die tiefe Hirnstimulation (THS) eine Option sein, bei der Elektroden im Gehirn implantiert werden, um motorische Symptome zu kontrollieren.

Für Patienten mit Prolaktinomen, die auf medikamentöse Therapie nicht ansprechen oder diese nicht vertragen, kann eine chirurgische Entfernung des Tumors oder eine Strahlentherapie in Betracht gezogen werden.

Es ist wichtig, dass Patienten und ihre Ärzte gemeinsam die am besten geeignete Behandlungsstrategie entwickeln, die sowohl wirksam als auch gut verträglich ist, um die Lebensqualität zu maximieren und Nebenwirkungen zu minimieren.

Quellen

  • "Goodman & Gilman's The Pharmacological Basis of Therapeutics" von Laurence Brunton, Randa Hilal-Dandan, und Bjorn Knollmann
  • "Rang & Dale's Pharmacology" von Humphrey P. Rang, Maureen M. Dale, James M. Ritter, und Rod J. Flower
  • "Basic and Clinical Pharmacology" von Bertram Katzung, Anthony Trevor

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